Nichts für schwache Nerven: Wandern auf dem Caminito del Rey

„Der Caminito del Rey oder der kleine Königsweg gehört zu den gefährlichsten Wanderungen der Welt“, steht in meinem Wanderführer. Bei El Chorro, nahe der spanischen Stadt Malaga, wurde er auf einer Höhe von ca. 200 Metern über dem Fluss Guadalhorce an den nackten Felswänden der El-Chorro-Schlucht gebaut. Der über die Zeit heruntergekommene und baufällig gewordene Weg zieht Kletterer und Wanderer aus der ganzen Welt an. Einige bezahlten die Tour mit dem Leben. Letzteres erfahren wir erst, als wir uns 2012 selbst auf den Weg nach El Chorro machen, um die schönsten Kletterrouten der Region zu testen.

Auf dem Campingplatz im Ort sagt man uns, dass der Einstieg zu den besten Kletterrouten über den Caminito del Rey führt und dass wir vorsichtig sein sollen. Vorsichtig sind wir selten und so kommt es, dass wir nach wenigen Metern auf rostigen Eisenstangen mit ca. zwei Metern Abstand stehen und sich unter uns zwanzig Meter Luft befindet. Meine Unifreunde Liesa und Simon klammern sich an ein poröses Seil, was an der Wand befestigt ist und ich gebe mein Bestes, um nicht nach unten zu schauen. „Wenn wir diese Stelle überwunden haben, kann es nur besser werden“, sagt Liesa. Stimmt auch, zumindest vorerst. Nachdem wir eine kleine Felstreppe hinaufsteigen, leitet uns der Weg über ein rissiges Plastik-Wasserrohr, aus dessen Enden eine braune Placke heraussprudelt.

Das folgende Stück demonstriert die Geschichte eines architektonischen Kunstwerks: Der Weg wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, um die beiden Enden der Schlucht zu verbinden und die Arbeit an den dort zu errichtenden Talsperren zu ermöglichen. Den Namen Caminito del Rey erhielt der von Arbeitern frequentierte Weg, nachdem König Alfons XIII. ihn im Jahr 1921 besuchte, um den Staudamm Conde del Guadalhorce einzuweihen. Danach wurde er nicht mehr benötigt und verfiel.

Armbreit zieht sich der Weg an den Seiten der Schlucht entlang, in deren Tiefen eisblaues Wasser sprudelt. Wir schleichen vorsichtig auf leisen Sohlen vorwärts. Links schleifen unsere Karabiner an der Wand, die Kontakt zu einem Stahlseil haben. „Wäre alles ganz okay, wenn aus dem Stahlseil nicht die Drähte herausstehen würden“, denke ich. Simon entdeckt eine gebohrte Kletterroute, zieht seine Kletterschuhe an und fragt, ob ich ihn sichern könnte. Als ich mit ihm am Seil verbunden bin und er den ersten Karabiner in den Bohrhaken einhängt, denke ich noch, dass dies die sicherste Stelle des gesamten Weges sei.

Irgendwann, nach der Kletteraktion, laufen wir weiter. Steigen über Löcher. Blicken in die Tiefe und pressen uns an die Felswand. Eine kleine Brücke, breit wie ein Aktenorder, außerdem ohne Geländer, führt uns auf die andere Seite der Schlucht. Der Rückweg erfolgt durch einen stockdunklen Bahntunnel. Wir schleichen nah an der Wand entlang. „Der Sog der durchfahrenden Züge ist gefährlich“, sagt die Frau auf dem Campingplatz und wenn sich jemand in dem Gebiet auskennt, dann sie.

Heute ist die Begehung des Caminito del Rey kein waghalsiges Abenteuer mehr. Im März 2015 wurde er nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen neu eröffnet. Geländer und Holzbretter ziehen sich über den alten Weg, der uns – und so vielen anderen – Zugang zu einer Schlucht verschaffte, die bereits am Eingang verlauten ließ, dass ihre Begehung ein Abenteuer wird.

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