So weit, so gut

Auf 24 Etappen folgt der Moselsteig dem verschlungenen Fluss durch steile Weinberge und zu ehrwürdigen Burgen.

Als ich Daniel für den Moselsteig erwärmen möchte, zieht er seine Mundwinkel nach unten. »Du willst 365 Kilometer in 24 Etappen an einem Fluss entlanglatschen? Und ich muss mit?« Richtig, genau das ist der Plan. Warum immer nach Skandinavien oder in die Alpen reisen, wenn es auch vor der Haustür schöne Weitwanderwege gibt? Wir einigen uns auf das schönste Teilstück um Cochem gegen Ende des Steigs, wollen zum Auftakt aber auch Trier besuchen.

14 Tage später ramme ich die Schuhspitzen ins Gestein, dass Daniel die Schiefersplitter um die Ohren fliegen. Geröll kullert den Hang hinab, mein Wanderpartner krallt sich an einem Stahlseil fest, während ich oben auf einer Metallleiter auf ihn warte. Unten fließt die Mosel ruhig in einer Haarnadelkurve dahin, golden spiegelt sich das Sonnenlicht auf dem Wasser. Hinter der südlichen Biegung des Bremmer Calmonts, des steilsten Weinbergs Europas, an dem wir gerade herumklettern, schifft ein Frachter Steinkohle flussabwärts. Daniel balanciert von einem Trittbügel zum nächsten. Der Calmont hievt seine 400 Höhenmeter derart forsch in die Höhe, dass der Alpenverein, Sektion Koblenz, einen Klettersteig errichtete.

Keine Frage, die sechzehnte Etappe ist mit Abstand die sportlichste des im Jahr 2014 eröffneten Fernwanderwegs. Nach dem Vorbild der Steige an Rhein und Co. lockt er Wanderer in eine Gegend, die nicht den Ruf hat, besonders aufregend zu sein. Zu Unrecht, wie sich herausstellt: Der Moselsteig folgt zwischen dem deutsch-luxemburgischen Grenzort Perl im Saarland bis zur Mündung in den Rhein bei Koblenz dem gewundenen Fluss, führt an unzähligen Weinbergen entlang und schlängelt sich durch Wälder. Vom Calmont schauen wir über die sanften Höhen und weiten Ebenen der mehr als 2000 Jahre alten Kulturlandschaft; tief unten umfließt die Mosel einen Hügel, an dessen Fuß die Klosterruine Stuben ruht.

Die Etappe strengt an, und wir schwitzen – ich mache es mir noch einmal bewusst – zum reinen Vergnügen. Im Gegensatz zu den rumänischen Winzergehilfen in der Reblandschaft unter uns, die mühsam einzelne Triebe festbinden und sie so vor Windbruch schützen. Die bis zu 65 Grad steilen Hänge machen den Einsatz von Vollerntern unmöglich. Traktoren kommen ebenfalls an ihre Grenzen; die Wingerte müssen per Hand gepflegt werden. Nirgendwo anders auf dem Erdball gibt es mehr Steillagenweinberge. Der weltweit bekannteste hiesige Tropfen ist der Riesling. »Wir genossen des köstlichen Moselweins«, schrieb Goethe, während Kurt Tucholsky 1930 auf seiner Zugreise nach Koblenz unverhohlen vermerkte: »Wir soffen uns langsam den Fluss hinab.«

Unsere Sohlen wirbeln Staub auf. Die abschüssigen Hänge mit ihren Devonschieferschichten speichern die Wärme optimal und bringen in der Mittagssonne die Luft zum Flimmern. Ständig huschen Eidechsen über den Weg. Schatten ist rar. Mein T-Shirt klebt am Rücken. Hier, auf den Abschnitten der Terrassen- und der Mittelmosel, folgt der Pfad in einem stetigen Auf und Ab den Bergkanten direkt über dem Fluss […].

>> Der komplette Text erschien in outdoor 06/2017. Bilder: Björn Hänssler. Motorpresse Stuttgart GmbH & Co. KG.

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