Nur das Beste

Die Schramme in meinem linken Handballen blutet kaum. Es tut noch nicht mal sehr weh. Vor ein paar Minuten habe ich laut aufgeschrien, aber eher vor Schreck als vor Schmerz. Schließlich schlittert man nicht jeden Tag im Schiefergeröll einen steilen Hang hinunter.

Mein Kumpel Daniel ist schuld an meinem Sturz. Wenigstens indirekt. »Geh noch ein Stückchen weiter vor«, sagte er, während er am Aussichtspunkt Cloef durch den Sucher seiner Kamera starrte und ich in die Landschaft. Vollkommen fasziniert vom Anblick der Saarschleife bei Orscholz folgte ich blind seiner Anweisung. Die Mauer, auf der ich stand, war glitschig, und so kam es, wie es kommen musste: Ich segelte den Hang hinunter. »Rutsch bloß nicht aus«, dachte ich noch. Bevor ich ausrutschte.
»Mosel, Nahe, Saar und Rhein schlagen rings den Hunsrück ein«, hatte Daniel vor unserer Abreise gedichtet. Seit April 2015 gibt es den Saar-Hunsrück-Steig. Auf etwa 410 Kilometern und 24 Etappen führt er vom saarländischen Perl über die Edelsteinmetropole Idar-Oberstein bis nach Boppard am Rhein. Nach der sechsten Etappe gibt es zwei Optionen: Wer nach links abbiegt, gelangt nach 107 Kilometern in drei Etappen ins altehrwürdige Trier. Die Alternative: Geradeaus weiterwandern und nach drei Wochen und etwa 300 Kilometern bei Boppard am Rhein die Füße ins Wasser hängen.

Eine urlaubsfüllende Angelegenheit. Es sei denn, man sucht sich einzelne Etappen aus. Wir entscheiden uns für eine einwöchige Tour zu den absoluten Highlights des Steigs: die ersten beiden Etappen gleich zu Beginn, Etappe vier mit dem Stausee bei Losheim, dann ein Abstecher an das Ende der kurzen Variante, in die alte Römerstadt Trier. Gut auf der Hälfte der Hauptroute wollen wir dem Erbeskopf einen Besuch abstatten, einen Tag nach Idar-Oberstein wandern und hinter der Stadt zwei Etappen am Stück unter die Sohlen nehmen. Da wir die Ausgangspunkte der einzelnen Etappen recht gut mit Bus und Bahn erreichen können, ist das bequem machbar.

Daniel war sofort dabei. »Dort, wo sich Leute in merkwürdigen Dialekten verständigen, Wälder und einsame Hochebenen warten, kann es zum Wandern nur gut sein«, sagte er. Schon die ersten beiden Etappen boten Aussichten, für die es sich lohnt, einen Hang hinunterzupurzeln: Vom herrschaftlich anmutenden Barockgarten im saarländischen Dörfchen Perl wanderten  wir an Weinbergen vorbei. Weite Aussichten über die Felder und Wiesen im Dreiländereck von Deutschland, Luxemburg und Frankreich ließen uns mehr als einmal innehalten und die Ruhe genießen. Ein guter Start, und gegen Ende der zweiten Etappe wurde es noch besser: Als hätte jemand das Kommando erteilt, drehte die Saar wie mit dem Zirkel gezogen ihre berühmteste Schleife unter unseren Füßen. Tollkühn krallen sich dort die Reben an ihren Prallhang, der so steil ist, dass sie schon nach wenigen Metern aus dem Blickfeld rutschen. Silbrig glänzend windet sich die Saar bei Orscholz um eine bewaldete Erhebung in der Mitte, als wolle sie sie umarmen. Da kann man schon mal einen Schritt zu weit gehen […].

>> Der komplette Text erschien im Magazin outdoor 06/2018, S. 44-49. Text: Katharina Baus, Bilder: Björn Hänssler. Motorpresse Stuttgart GmbH.

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